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La Réunion auf unbekannten Wegen – von der Sud Sauvage auf die Vulkanebene mit unserer Autorin Rike Stotten (Teil 2)

Inhalte

Den ersten Teil der Wanderung finden Sie hier.

Über 2.000 Höhenmeter tropischer Anstieg – Grand Galet. Hinter den letzten Häusern weist ein kleines, mit Moos bewachsenes Schild den Weg zum Cap Blanc und zur Plaine des Sables – acht Stunden Aufstieg liegen vor mir. Zunächst verläuft der Weg vorbei an Ananasfeldern; hier werden die berühmten Ananas Victoria angebaut auf die die Insulaner so stolz sind. Sie gehört zu der Gruppe der Queen Ananas, die sich auszeichnet durch das kräftige gelb des Fruchtfleisches, wenig faserig ist und aromatisch süß. Hier wachsen sie in Reih und Glied auf dem Feldern, jede einzelne sitzt auf einem Bett von schmalen, stachelig – gezahnten Blättern und ragt mit seinem Stamm bis in den Boden. Vereinzelt stehen am Wegrand Guaven Bäume; an den bis zu 6 m hohen Bäumen wachsen die Erdbeerguaven, die von März bis Oktober reif sind. Die runden Früchte sind nur 2-3 cm groß und sehen mit ihrer roten Schale nicht nur der Erdbeere ähnlich, sondern gleichen ihr auch mit ihrem süßlichen Geschmack. Ursprünglich stammt die Guavensorte aus Brasilien und wurde einst als Zierpflanze auf die Insel gebracht. Sie wird zu Saft und Konfitüre verarbeitet; sie soll dabei mehr als 20-mal so viel Vitamin C haben wie eine Orange; eine wirkliche Vitaminbombe.

2. Etappe: Von Grand Galet nach Le Grand Pays

Weiter geht es dann durch dichten Bambuswald. Die riesigen, hellgrünen Stämme biegen sich an einigen Stellen sodass sie einen Bogen über den Weg schlagen. Es ist dunkel, feucht und rutschig. Und natürlich trifft es auch mich; ich rutsche aus und falle hin; direkt in den Matsch. Schuhe und Hose sind nass; und das nach nicht einmal 30 Minuten Aufstieg. Das Weiterlaufen ist unangenehm. Ich denke daran umzukehren. Wie sollen erst die verbleibenden siebeneinhalb Stunden werden, wenn die Wanderung schon so anfängt?
Der Weg geht nun etwas flacher weiter. Ein Schild weist darauf hin, dass hier der seit 2007 gegründete Nationalpark beginnt, dem ‚Cœur du parc national‘. Dieser nimmt immerhin ganze 42% der Inselfläche ein und umfasst große Teile der drei Talkessel Mafate, Salazie und Cilaos sowie der Vulkanebene des noch aktiven Vulkans Piton de la Fournaise. Seit 2010 sind die ‚Gipfel, Talkessel und Steilhänge der Insel Réunion‘ auch in das UNESCO-Welterbe aufgenommen. Lange Zeit wurden die landschaftlichen Ressourcen der Insel stiefmütterlich behandelt; heute ist man auf der Insel bemüht das dahinter stehende Potenzial für den Tourismus professionell zu vermarkten, doch nach wie vor zieht die Insel nicht die Massen an, wie es die Nachbarinsel Mauritius tut. Für den Individualreisenden ist das gut; für die wirtschaftliche Entwicklung der Insel weniger.
Links hört man das Donnern eines kleinen Wasserfalls – seine Schönheit bleibt leider zum größten Teil hinter den grünen Ästen der Bäume verborgen. Kurz danach erreiche ich eine weite Lichtung; eine steinige Ebene, die von einem kleinen Fluss gequert wird. Rundherum der Ausblick auf saftiges Grün in den verschiedensten Nuancen. Die erste Belohnung für die Anstrengungen! Hier kann ich auch endlich mein verspätetes Frühstück Genießen und die verdreckte Hose auswaschen, die in der brennenden Sonne schon um 10 Uhr morgens innerhalb von kurzer Zeit trocknet. Bis auf einige kleine Holzbretter die als Steg über den Fluss liegen und einer kleiner Markierung des Wanderweges sieht man hier keine Spuren der Zivilisation – herrlich!

Weißschwanz-Tropikvogel – Seevogel der Tropen

Den Blick Richtung Himmel, der um diese Tageszeit im Südsommer schon von einzelnen Wolken bedeckt ist, kann man vereinzelt die ‚‘ beobachten – den Weißschwanz-Tropikvogel. Diesen weißen Seevogel, der in tropischen Ozeanen zu Hause ist, kann man leicht an seinen langen, dünnen Schwanzfedern erkennen, die mehr als die Hälfte seiner Körperlänge einnimmt und dem er seine Eleganz verdankt. Durch die Länge der Schwanzfedern nutzen sich diese besonders schnell ab und erneuern sich stetig. Dabei dienen sie weniger dem Gleichgewicht beim Flug, als ihre Rolle bei dem Liebesspiel der Vögel zur Paarungszeit. Die Route führt wieder in den angenehm schattigen Wald; stetig aufwärts, sodass ich trotzdem schwitze. Ich frage mich, ob ich nicht vielleicht schneller das Wasser ausschwitze, als ich meine 3 Liter Proviant zu mir nehmen kann – der Karte nach gibt es keine weiteren Wasserstellen mehr bis zum Ziel, der Plaine des Sables.

Wanderung fernab des Tourismus

Rechts am Weg liegt eine verlassene Hütte. Das einst strahlende grün ist verblasst und wird im wahrsten Sinne vom Moos aufgefressen; die Fensterläden fehlen teilweise und die Bäume setzen dem Wellblechdach mit ihren Zweigen ein neues Haupt auf. Schon vor einigen Jahren haben mir Bewohner aus dem Dorf unterhalb von Grand Galet erzählt, dass hier einst eine Familie mit Kindern gewohnt hat. Am Ende hat nur noch ein Sohn in älteren Jahren die Einsamkeit hier ertragen. Mit der Aufzucht von wenigen Tieren und dem Anbau von Gemüse hat er hier fast autark gelebt. Seit seinem Tod vor einigen Jahrzehnten verfällt die Hütte jedoch und seine Geschichte gerät mehr und mehr in Vergessenheit. Im Gegensatz zu Mafate, dem Talkessel vulkanischen Ursprungs der Insel ohne Straßenzugang der als touristisches Highlight der Insel propagiert wird, kommen hier kaum Touristen oder lokale Wanderer vorbei. Die nahegelegene Ruine zeugt von den letzten Erinnerungen einer kleinen Kapelle, die hier einst gestanden hat. Unweit davon auf einem Felsvorsprung schützt eine kleine Statue der Jungfrau Maria das Wohl der wenigen vorbeikommenden Passanten – die Insel ist durch und durch katholisch; in jedem noch so schwer zugänglichen Winkel muss man sich um seinen Segen keine Sorgen machen.
Ich erreiche die Ebene Le Grand Pays, wie ein kleines Schild anzeigt. Für den weiteren Weg ist auf dem Schild ‚Courage…‘ markiert. Wann wünscht einem schon ein Schild für die Wanderung ‚Nur Mut‘? Ich bin verunsichert über das, was mich erwarten wird; in jedem Fall wird es anstrengend!

Fortsetzung folgt

Text und Bilder: Rike Stotten; Weißschwanz-Tropikvogel (pixabay)

Was gehört für eine Reise nach Réunion auf jeden Fall ins Reisegepäck?
„Eine warme Jacke für die erfrischenden Abende in den Bergen! Dazu dann noch eine Portion Neugier und Aufgeschlossenheit, und dem Abenteuer steht nichts mehr im Wege.“ Rike Stotten

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